Eine aktuelle Studie aus Schweden, die in kinderpsychiatrischen Kliniken durchgeführt wurde, hat alarmierende Zusammenhänge zwischen belastenden Kindheitserfahrungen (ACEs)* und den emotionalen und Verhaltensproblemen von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und/oder Autismus-Spektrum-Störung (ASS) aufgedeckt. Besonders auffällig ist die Verbindung zwischen den ACEs der Mütter und den Problemen ihrer Kinder.*
*ACEs, kurz für Adverse Childhood Experiences, bezeichnen potenziell traumatische Ereignisse, die in der Kindheit auftreten können. Dazu gehören Missbrauch (körperlich, emotional, sexuell), Vernachlässigung sowie dysfunktionale Familienverhältnisse wie elterliche psychische Erkrankungen, Sucht oder Gewalt. Diese negativen Erfahrungen in der Kindheit können tiefgreifende und langfristige Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit haben. Studien zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Anzahl erlebter ACEs und einem erhöhten Risiko für verschiedene gesundheitliche Probleme im Erwachsenenalter. Das Verständnis von ACEs ist entscheidend für präventive Massnahmen und die Entwicklung unterstützender Interventionen.
Die Studie und ihre Ergebnisse
Die Untersuchung umfasste 86 Mütter, 37 Väter und 48 Kinder mit ADHS oder Autismus-Spektrum-Störung. Die Eltern gaben Auskunft über ihre eigenen ACEs und ihre neurologischen Entwicklungsstörungen (NDD), während die Kinder über ihre eigenen belastenden Erfahrungen berichteten. Die Ergebnisse zeigten, dass mütterliche ACEs signifikant mit den ACEs der Kinder korrelierten. Darüber hinaus wiesen Mütter mit vielen ACEs auch häufiger ADHS- und ASS-Merkmale auf.
Besonders besorgniserregend war der Zusammenhang zwischen mütterlichen ACEs und den emotionalen und Verhaltensproblemen der Kinder. Kinder, deren Mütter belastende Kindheitserfahrungen gemacht hatten, zeigten häufiger emotionale Probleme. Interessanterweise wurden diese Zusammenhänge bei Vätern nicht festgestellt.
Die Bedeutung der Ergebnisse
Diese Studie unterstreicht die Notwendigkeit, belastende Kindheitserfahrungen bei der Beurteilung von Kindern mit ADHS/ASS zu berücksichtigen. Kliniker sollten sich der möglichen Auswirkungen von mütterlichen Traumata und NDD-Merkmalen bewusst sein. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Unterstützung der Mütter ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden der Kinder sein könnte.
Weitere Forschung notwendig
Die Studie wirft wichtige Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der Rolle der Väter. Zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, die Beteiligung von Vätern genauer zu untersuchen und herauszufinden, wie sich ihre Erfahrungen auf die Kinder auswirken. Es ist wichtig, ein umfassendes Verständnis der familiären Dynamik zu entwickeln, um Kindern mit ADHS/ASD bestmöglich zu helfen.
Für mich wäre es auch interessant zu wissen, wie involviert die Väter sind in der Erziehung ihrer Kinder. Als ehemalige Gruppenleitung in Kindertagesstätten und als Nanny mit 24 Jahren Erfahrung, ist es mir nämlich nicht entgangen, dass diese nicht selten kaum teilhaben an der Care-Arbeit. Da ADHS vererbt ist und Mütter eh schon vor besonderen Herausforderungen stehen hatte ich bereits in diesem Artikel thematisiert.
Die Ergebnisse dieser Studie sind ein Weckruf. Sie verdeutlichen, wie tiefgreifend belastende Kindheitserfahrungen sein können und wie wichtig es ist, diese in der klinischen Praxis zu berücksichtigen. Es braucht aber auch Aufklärung, welche Herausforderungen mit der Elternschaft mitkommen. Durch die Berücksichtigung der Erfahrungen der Eltern, können wir möglicherweise bessere Unterstützungssysteme für Kinder mit ADHS/ASS schaffen und ihre Lebensqualität verbessern- denn die Kinder von heute sind die Erwachsenen von Morgen.