Neurodivergenz Blog

Neurodivergente Menschen und das Nervensystem

Das Nervensystem neurodivergenter Menschen reagiert oft empfindlicher auf die Umwelt. Ein veränderter Geräuschpegel im Büro, eine unerwartete Anfrage oder intensive Gedanken, zusammen mit RSD können in Betroffenen ein Gefühl von Unruhe auslösen. Diese erhöhte innere Anspannung, oft als Alarmreaktion des Körpers bekannt, ist ein häufiger Begleiter, der sowohl das Arbeitsleben als auch den privaten Bereich prägt.

Die Bedeutung eines stabilen Nervensystems

Ein Nervensystem im Gleichgewicht vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Gerät es jedoch aus dem Takt, entsteht eine innere Überlastung. In der Folge schaltet das Gehirn auf Schutzmechanismen um, was zu instinktiven Verhaltensmustern wie Anspannung oder Rückzug führen kann. Die Aufmerksamkeit fokussiert sich auf potenzielle Bedrohungen, und das Denken verhärtet sich.

Ein Nervensystem im Ungleichgewicht beeinflusst somit das gesamte Sein. Betroffene interpretieren neutrale Aussagen möglicherweise als Angriff, ziehen sich zurück oder reagieren impulsiv. Der Kontakt zu anderen kann erschwert sein. Das Nervensystem – das fundamentale Befinden – bestimmt massgeblich die Denkweise und das Handeln. Ein stabiles Nervensystem ist daher nicht nur wünschenswert, sondern eine Grundlage für klare, weitsichtige, mitfühlende und ausgewogene Überlegungen.

Wie das Nervensystem aus der Balance geraten kann

Das autonome Nervensystem findet normalerweise ein natürliches Pendel zwischen Aktivität und Erholung. Anspannung ist nicht per se schädlich, entscheidend ist der anschliessende Ausgleich. Für neurodivergente Menschen können alltägliche Umgebungen jedoch zusätzliche Herausforderungen darstellen.

Reizüberflutung, schwer fassbare soziale Interaktionen, unflexible Strukturen und der Wunsch nach Anpassung können eine Kettenreaktion von Stressimpulsen auslösen, ohne dass genügend Raum zur Regeneration besteht. In der Folge kann eine Bagatelle das innere Gleichgewicht kippen, was zu heftigen Reaktionen auf scheinbar Belangloses führt, die für Betroffene oft selbst rätselhaft sind.

Wege zur inneren Harmonie

Die bewusste Regulation des Nervensystems in Verbindung mit angepassten Strategien ist für neurodivergente Menschen unerlässlich, um innere Unruhe zu reduzieren und ein stabiles Wohlbefinden zu erreichen. Es geht darum, dem Körper und dem Geist Signale der Sicherheit zu senden und individuelle Wege zur Stressbewältigung, emotionalen Regulation und Beruhigung zu entwickeln.

 19 Impulse die dein Nervensystem regulieren: 

  1. Emotionen zulassen und annehmen: Das Akzeptieren und bewusste Erleben von Emotionen kann helfen, innere Anspannung zu reduzieren. Der Widerstand gegen Gefühle erzeugt zusätzliche Belastung. Achte auf deine persönlichen Grenzen und kultiviere Selbstmitgefühl.
  2. Die Sinneswahrnehmung beruhigen: Die Gestaltung einer Umgebung, die den individuellen sensorischen Präferenzen entspricht, ist entscheidend. Reduziere bewusst übermässige Reize, insbesondere in Ruhephasen und vor dem Schlafengehen.
  3. Den Körper in Bewegung bringen: Regelmässige körperliche Aktivität unterstützt den Abbau von Anspannung und Stresshormonen. Wählen Bewegungsformen, die als angenehm und nicht zusätzlich aufregend oder belastend  empfunden werden.
  4. Die belebende Kraft von Luft und Natur nutzen: Der Aufenthalt in der Natur, insbesondere in Umgebungen mit geringer Reizdichte wie Wäldern, kann eine ausgleichende Wirkung auf das Nervensystem haben.
  5. Bewusste digitale Pausen einlegen: Geplante «bildschirmfreie» Zeiten und die Reduktion digitaler Reize können helfen, die Informationsflut zu begrenzen und das Nervensystem zu entlasten.
  6. Dem Schlaf Bedeutung beimessen: Ausreichend regenerativer Schlaf ist essenziell für die Erholung des Nervensystems. Die Etablierung einer entspannenden Abendroutine kann die Schlafqualität verbessern.
  7. Soziale Kontakte nähren, die stützen: Die Pflege von Beziehungen zu verständnisvollen und akzeptierenden Menschen kann das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit stärken und somit das Nervensystem positiv beeinflussen.
  8. Achtsamkeit im Alltag kultivieren: Die Schulung der eigenen Wahrnehmung für körperliche und emotionale Reaktionen auf innere und äussere Einflüsse ermöglicht eine frühzeitige und angemessene Reaktion zur Selbstregulation.
  9. Den Atem als Anker verwenden: Bewusste Atemübungen können in Momenten der Anspannung schnell und effektiv zur Beruhigung beitragen. Insbesondere verlängerte Ausatemzyklen aktivieren den parasympathischen Nervenzweig.
  10. Bewusst offline sein und präsent werden: Geplante Zeiten ohne digitale Erreichbarkeit fördern die Entspannung und das Ankommen im gegenwärtigen Moment.
  11. Die Wirkung von Klängen und Musik erforschen: Das Hören beruhigender Musik oder Klänge sowie das aktive Singen oder Summen können eine harmonisierende Wirkung auf das Nervensystem haben.
  12. Erdung suchen und Stabilität finden: Der bewusste Kontakt zum Boden, beispielsweise durch Barfusslaufen oder stabilisierende Körperhaltungen, kann ein Gefühl von Sicherheit und Präsenz vermitteln.
  13. Die Ernährung berücksichtigen: Eine ausgewogene und nährstoffreiche Ernährung unterstützt die Funktion des Nervensystems. Die bewusste Wahl von beruhigenden und weniger stimulierenden Lebensmitteln kann hilfreich sein.
  14. Gedanken strukturieren und loslassen: Das Aufschreiben von Gedanken kann helfen, mentale Belastung zu reduzieren und den Fokus zu verbessern.
  15. Delegieren als Entlastung nutzen: Die Abgabe von Aufgaben, sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext, kann die individuelle Belastung reduzieren und Ressourcen für die Selbstregulation freisetzen.
  16. Klare Grenzen kommunizieren und wahren: Das Erkennen und Kommunizieren eigener Grenzen ist entscheidend, um Überforderung zu vermeiden und das Nervensystem zu schützen.
  17. Struktur als Halt erleben und gestalten: Klare Abläufe und Routinen im Alltag können ein Gefühl von Sicherheit und Vorhersehbarkeit vermitteln und somit Stress reduzieren.
  18. Berufliche Umgebung anpassen: Die Kommunikation der eigenen Bedürfnisse bezüglich sensorischer Reize und Arbeitsorganisation mit der Arbeitgeberin kann zu notwendigen Anpassungen führen, die das Wohlbefinden am Arbeitsplatz steigern.
  19. Arbeit mit dem inneren Kind: Die Arbeit mit dem inneren Kind kann das Nervensystem beruhigen, indem ungelöste emotionale Erfahrungen aus der Kindheit, die im Körper als Anspannung gespeichert sind, liebevoll betrachtet und integriert werden, wodurch ein Gefühl von Sicherheit und innerem Frieden entsteht.
 

Ein individueller Weg 

Die Regulation des Nervensystems ist ein persönlicher Prozess, der Selbstwahrnehmung, Experimentierfreude und die Bereitschaft erfordert, individuelle Strategien zu entwickeln. Anfangs kann sich das ungewohnt anfühlen, sogar unangenehm, wenn man chronisch unter Stress stand und immer im «Produktivmodus» war.

Indem neurodivergente Menschen lernen, auf die Signale ihres Körpers zu achten und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen  – können sie innere Anspannung reduzieren und ein Leben gestalten, das von mehr Ruhe, Stabilität und Authentizität geprägt ist.

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