Hyperfokus und Stressverarbeitung
Bei Menschen mit ADHS ist der sogenannte Hyperfokus gut dokumentiert. In stressigen oder dringenden Situationen kann das Gehirn den Fokus auf eine einzelne Aufgabe oder ein spezifisches Problem lenken und dabei alles andere ausblenden. Dies ist das Resultat einer atypischen Dopaminregulation im präfrontalen Kortex, der Region des Gehirns, die für exekutive Funktionen, Planung und Entscheidungsfindung zuständig ist. In Krisen kann diese Fähigkeit aktiviert werden, sodass betroffene Frauen ihre volle kognitive Kapazität auf die Bewältigung der akuten Situation lenken, was als ruhig und organisiert erscheinen kann.
Kompensationsmechanismen und Maskierung
Frauen, insbesondere diejenigen mit einer späten Diagnose von ADHS oder Autismus, entwickeln oft starke Kompensationsstrategien, um in der Gesellschaft besser zu funktionieren. Diese Kompensationsmechanismen, die als «Maskierung» bezeichnet werden, beinhalten das Lernen sozialer Normen und Verhaltensweisen, die dazu beitragen, Symptome zu verdecken oder zu minimieren. In Krisenzeiten können diese erlernten Fähigkeiten eine besonders wichtige Rolle spielen, da betroffene Frauen gelernt haben, ihre Emotionen zu regulieren und kontrolliert auf äussere Stressfaktoren zu reagieren, um sich anzupassen. In einer Krisensituation könnte dies zu einem äusseren Erscheinungsbild führen, das als ruhig und organisiert wahrgenommen wird, auch wenn innerlich eine erhöhte Stressreaktion stattfindet.
Autistische Interessen und Routine
Frauen im Autismus-Spektrum neigen dazu, ein starkes Bedürfnis nach Routine und Vorhersehbarkeit zu haben. Krisensituationen bieten oft eine klare Struktur, da schnelle Entscheidungen und fokussierte Handlungen erforderlich sind. Für manche autistische Frauen kann dies eine Art beruhigender Effekt haben, da die Unsicherheiten des Alltags durch die Dringlichkeit der Krisensituation vorübergehend beseitigt werden. Es wird eine klare Handlungsanweisung benötigt, und sie können sich auf spezifische Aufgaben konzentrieren, ohne durch die Komplexität sozialer Erwartungen oder Mehrdeutigkeiten abgelenkt zu werden.
Stressresilienz und Kontrolle
In einigen Fällen erleben Menschen mit ADHS oder Autismus hohe Level von chronischem Stress im Alltag, da sie mit sensorischen, sozialen oder organisatorischen Herausforderungen konfrontiert sind. Dieser kontinuierliche Stresspegel kann bei Krisenereignissen eine unerwartete Resilienz fördern. Krisen werden in diesem Kontext möglicherweise nicht als zusätzliche Belastung, sondern als vorhersehbare und klare Herausforderung empfunden, die zu bewältigen ist. Dies steht im Gegensatz zum täglichen Leben, das aufgrund seiner vielen Unvorhersehbarkeiten oft als überfordernd wahrgenommen wird. In einer akuten Krise können Frauen mit ADHS oder Autismus daher fokussierter und handlungsfähiger wirken, weil sie durch den externen Stress eine klare Handlungsorientierung erhalten.
Sensorische Anpassungen und Emotionsregulation
Ein weiteres Element ist die atypische sensorische Verarbeitung bei ND Frauen. Während sensorische Überstimulation im Alltag häufig zu Überforderung führen kann, können in Krisenzeiten die Adrenalinausschüttung und der Stressfokus eine Art temporäre „Abstumpfung“ oder „Entkopplung“ von sensorischen Reizen bewirken. Dies kann dazu führen, dass Frauen in Krisenzeiten emotionsregulatorisch stabiler erscheinen, weil sie sensorische Überlastung in diesen Momenten weniger intensiv wahrnehmen oder sich auf eine fokussierte Aufgabe konzentrieren.
Soziale Erwartungen und Geschlechterrollen
Es gibt auch soziale und kulturelle Faktoren, die eine Rolle spielen könnten. Frauen, unabhängig von ihrer neurodivergenten Diagnose, wachsen oft mit dem gesellschaftlichen Druck auf, emotionale Stabilität und Fürsorge zu zeigen, insbesondere in Krisensituationen. Dieses geschlechtsspezifische Rollenverständnis könnte verstärken, dass ND Frauen ihre Gefühle unterdrücken und ruhig und organisiert erscheinen, weil dies sozial erwartet wird. Diese äussere „Maske“ könnte sie in Krisenzeiten zu scheinbar belastbareren Akteurinnen machen.
Bewältigungsstrategien
Betroffene entwickeln oft starke Bewältigungsstrategien (Coping-Mechanismen), um mit Alltagsstress umzugehen, wie z.B. detaillierte Planung, Listenführung oder visuelle Organisationstechniken. Diese Werkzeuge, die sie im Alltag verwenden, werden in Krisenzeiten besonders nützlich. Frauen, die im Alltag Schwierigkeiten haben, sich zu organisieren, können in Krisen plötzlich diese Strategien effektiver anwenden, was zu einem geordneten und kontrollierten Verhalten führt.
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