Neurodivergenz Blog

Serie: Herausforderungen der Neurodivergenz – Teil 2: Neugierde

Der Umgang mit neurotypischen (NT) Menschen, sowohl beruflich als auch privat, kann für neurodivergente (ND) Frauen oft eine Herausforderung darstellen. Neurodivergente Menschen, insbesondere Frauen mit ADHS oder Autismus, haben häufig andere Denkweisen, Herangehensweisen und Bedürfnisse als ihre neurotypischen Kolleginnen und Kollegen oder Familienmitglieder. Dies führt nicht selten zu Missverständnissen oder Spannungen. Um diese Situationen besser zu verstehen und zu meistern, ist es wichtig, sowohl die Herausforderungen als auch mögliche Lösungsansätze zu beleuchten.

Herausforderungen im Umgang mit Neurotypischen – Beruflich

Unterschiedliche Arbeitsstile und -erwartungen

Eine der größten beruflichen Herausforderungen für ND Frauen liegt in der Divergenz der Arbeitsstile. Neurotypische Kolleg*innen arbeiten oft in einem festen Rahmen und halten sich an etablierte Strukturen und Routinen. ND Frauen hingegen zeigen oft eine ausgeprägte Neugierde und Kreativität, was sie dazu bringt, ständig neue Ideen einzubringen und bestehende Regeln zu hinterfragen. Diese Art des Arbeitens wird jedoch in traditionellen oder konservativen Arbeitsumgebungen, die stärker auf Stabilität und Beständigkeit setzen, häufig als störend oder unbeständig wahrgenommen.

Missverständnisse in der Kommunikation

ND Frauen haben oft ein intensiveres Bedürfnis nach tiefgründigen Gesprächen und nach kontinuierlichem Wissensaufbau, während neurotypische Kolleg*innen möglicherweise stärker auf Effizienz und Zielorientierung fokussiert sind. Dadurch können ND Frauen als unkonzentriert oder sprunghaft wahrgenommen werden, wenn sie verschiedene Projekte gleichzeitig verfolgen oder immer wieder neue Ideen vorschlagen. Dies führt möglicherweise zu Frustration oder Unverständnis auf beiden Seiten.

Schwierigkeiten bei der Anpassung an feste Strukturen

In vielen Berufsfeldern gibt es klare Hierarchien, feste Prozesse und etablierte Vorgehensweisen. Für ND Frauen, die eher unkonventionelle und flexible Ansätze bevorzugen, kann es schwer sein, sich an diese starren Strukturen anzupassen. Ihr Wunsch nach Innovation und Veränderung kann auf Widerstand stoßen, insbesondere in Unternehmen, die weniger offen für kreative Ideen und iterative Prozesse sind.

Herausforderungen im Umgang mit Neurotypischen – Privat

Missverständnisse in der Beziehungsgestaltung

Im privaten Umfeld kann die ausgeprägte Neugierde und der Wunsch nach ständiger Weiterentwicklung ebenfalls zu Missverständnissen führen. ND Frauen erleben oft eine Art „Rastlosigkeit“, da sie stets bestrebt sind, neue Dinge zu entdecken oder zu lernen. Diese Rastlosigkeit kann von neurotypischen Partnern oder Familienmitgliedern als Unzufriedenheit oder als chaotisches Verhalten interpretiert werden. Besonders in engen Beziehungen kann dies zu Spannungen führen, wenn das Bedürfnis nach Stabilität und Beständigkeit nicht mit den Erwartungen der ND Partnerin übereinstimmt.

Schwierigkeit, gemeinsame Interessen zu finden

Da ND Frauen oft viele verschiedene Interessen gleichzeitig verfolgen, kann es für Partner oder Familienmitglieder herausfordernd sein, Schritt zu halten. Diese Tendenz, schnell zwischen unterschiedlichen Themen oder Aktivitäten zu wechseln, kann als Unzuverlässigkeit oder Desorganisation wahrgenommen werden. Es entsteht unter Umständen das Gefühl, dass keine Aktivität lange genug im Fokus steht, um als gemeinsames Erlebnis wahrgenommen zu werden.

Beruflich – Lösungsvorschläge

Für neurotypische Kollegen:

Offenheit für neue Ideen fördern: Es ist entscheidend, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der kreative Vorschläge willkommen sind. ND Frauen bringen oft innovative Ansätze ein, die für die Problemlösung und Weiterentwicklung von Prozessen wertvoll sein können. Ein offenes Feedback-System, das auf konstruktiver Kritik und Austausch basiert, hilft beiden Seiten, voneinander zu profitieren.

Feedback-Kultur etablieren: Neurotypische Kollegen sollten darauf achten, klare und konstruktive Rückmeldungen zu geben. Anstatt unkonventionelle Ideen sofort abzulehnen, könnte der Dialog darüber gefördert werden, wie diese in bestehende Strukturen integriert oder angepasst werden können.

Für neurodivergente Frauen:

Fokus setzen: Eine der größten Herausforderungen für ND Frauen besteht darin, ihre Vielzahl von Ideen zu kanalisieren und auf ein oder zwei Projekte zu fokussieren. Dies kann durch Techniken wie das Setzen klarer Ziele, das Festlegen von Prioritäten mit Hilfe einer Drittperson und das Nutzen von Zeitmanagement-Methoden erreicht werden.

Projekte priorisieren: Ein strukturiertes System zur Bewertung und Priorisierung von Ideen kann helfen, die eigene Energie effizienter einzusetzen und den Eindruck von Unbeständigkeit zu vermeiden. Es könnte zum Beispiel hilfreich sein, Projekte nach ihrem potenziellen Nutzen oder nach der Umsetzbarkeit zu priorisieren.

Privat – Lösungsvorschläge

Für neurotypische Familienmitglieder:

Unterstützung bieten: Anstatt die Neugierde der ND Partnerin als „zu viel“ oder „chaotisch“ wahrzunehmen, könnten Familienmitglieder aktiv daran teilnehmen und sie in ihrer Suche nach neuen Herausforderungen unterstützen. Dies könnte bedeuten, gemeinsam an neuen Projekten oder Interessen zu arbeiten und diese als Chance für gemeinsames Wachstum zu betrachten.

Gemeinsame Aktivitäten planen: Es könnte hilfreich sein, gemeinsame Aktivitäten zu finden, die sowohl das Bedürfnis der ND Frau nach ständiger Entdeckung als auch das Bedürfnis des Partners oder der Familie nach Stabilität berücksichtigen. Dies können Reisen, Lernprojekte oder kreative Hobbys sein, die beiden Seiten Spaß machen und die Bindung stärken.

Für neurodivergente Frauen:

Gemeinsame Interessen finden: Um Spannungen zu vermeiden, ist es hilfreich, gemeinsame Interessen oder Hobbys mit den Menschen im Umfeld zu identifizieren. Dadurch lässt sich die eigene Neugierde in das Familienleben integrieren, ohne dass dies als überfordernd oder distanzierend empfunden wird.

Selbstreflexion üben: Regelmäßige Selbstreflexion kann helfen, die eigenen Bedürfnisse besser zu verstehen und zu priorisieren. Es ist sinnvoll, innezuhalten und zu überlegen, welche neuen Entdeckungen oder Lernprojekte langfristig von Bedeutung sind und welche möglicherweise nur eine kurzfristige Begeisterung auslösen.

 

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