Neurodivergenz Blog

Serie: Herausforderungen der Neurodivergenz – Teil 3: Ruhig und organisiert in Krisenzeiten

Die Fähigkeit, in turbulenten Zeiten Ruhe und Organisation zu bewahren, wird oft als bemerkenswerte Stärke gepriesen. Doch für neurodivergente Frauen, insbesondere jene mit Autismus oder ADHS, kann diese scheinbare Tugend im beruflichen und privaten Alltag zu unerwarteten Herausforderungen und Missverständnissen führen.

Beruflich

Im beruflichen Kontext, wo oftmals hektisches Treiben und emotionale Reaktionen den Ton angeben, wirkt die ruhige und gelassene Art neurodivergenter Frauen unter Umständen befremdlich. Während Kollegen in Krisenzeiten mit aufgewühlten Emotionen und lauten Diskussionen reagieren, behalten sie einen kühlen Kopf und setzen auf strukturiertes Vorgehen. Diese scheinbare emotionale Distanz könnte jedoch fälschlicherweise als Desinteresse, mangelnde Empathie oder gar Arroganz gedeutet werden. Die Konzentration auf Fakten und Lösungen anstatt auf emotionale Bekundungen trägt zu diesem Eindruck bei und könnte den Verdacht nähren, dass neurodivergente Frauen die Sorgen und Nöte ihrer Kollegen nicht ernst nehmen.

Privat

Auch im privaten Bereich birgt die Fähigkeit, in Krisenzeiten Ruhe und Organisation zu bewahren, ein gewisses Missverständnispotenzial. Partner und Familienmitglieder neurodivergenter Frauen erwarten in emotional aufgeladenen Situationen möglicherweise tröstende Worte, Umarmungen oder andere Zeichen von Mitgefühl. Doch gerade in solchen Momenten ziehen sich viele neurodivergente Frauen in sich zurück, um die Situation zu analysieren und Lösungen zu finden. Dieses Verhalten, das oft als Schutzmechanismus dient, um mit der emotionalen Überforderung umzugehen, könnte von Angehörigen fälschlicherweise als Kälte, Desinteresse oder gar Ablehnung interpretiert werden.

Die Herausforderungen im Umgang mit Ruhe und Organisation in Krisenzeiten verdeutlichen, wie wichtig es ist, neurotypische und neurodivergente Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster zu verstehen und zu respektieren. Offene Kommunikation, gegenseitige Wertschätzung und die Bereitschaft, die Perspektive des anderen einzunehmen, sind entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und ein harmonisches Miteinander zu fördern.

Berufliche Lösungsansätze:

  • Für neurodivergente Frauen:

    • Transparenz: Kommunizieren Sie Ihre Arbeitsweise und Ihre Stärken proaktiv. Erklären Sie Ihren Kollegen, dass Ihre Ruhe und Organisation kein Zeichen von Desinteresse ist, sondern Ihnen hilft, in Krisenzeiten effektiv zu arbeiten.
    • Emotionale Ausdrucksformen finden: Auch wenn es Ihnen schwerfällt, emotionale Reaktionen zu zeigen, versuchen Sie, Ihre Empathie und Ihr Engagement auf andere Weise auszudrücken. Bieten Sie konkrete Hilfe an, hören Sie aktiv zu und zeigen Sie Verständnis für die Sorgen Ihrer Kollegen.
    • Feedback einholen: Fragen Sie regelmäßig nach Feedback, um sicherzustellen, dass Ihre Arbeitsweise und Ihr Kommunikationsstil positiv wahrgenommen werden.
  • Für neurotypische Kollegen und Vorgesetzte:

    • Wertschätzung und Verständnis: Erkennen Sie die Stärken neurodivergenter Frauen an und interpretieren Sie deren ruhige und organisierte Art nicht als mangelnde Empathie oder Engagement.
    • Offene Kommunikation: Schaffen Sie eine Atmosphäre, in der offen über Bedürfnisse und Erwartungen gesprochen werden kann. Ermutigen Sie neurodivergente Frauen, ihre Gedanken und Gefühle auszusprechen, und nehmen Sie diese ernst.
    • Flexibilität: Seien Sie bereit, Arbeitsabläufe und Kommunikationswege an die Bedürfnisse neurodivergenter Frauen anzupassen.

Private Lösungsansätze:

  • Für neurodivergente Frauen:

    • Emotionale Bedürfnisse kommunizieren: Erklären Sie Ihrem Partner und Ihrer Familie, wie Sie emotionale Unterstützung am besten geben und empfangen können.
    • Kompromisse finden: Arbeiten Sie gemeinsam mit Ihrem Umfeld an Lösungen, die den Bedürfnissen aller gerecht werden.
  • Für Partner und Familienmitglieder:

    • Akzeptanz und Verständnis: Akzeptieren Sie die neurodivergente Art Ihrer Partnerin oder Familienmitglieds und versuchen Sie, deren Verhalten und Reaktionen zu verstehen.
    • Geduld und Empathie: Geben Sie Ihrer Partnerin oder Ihrem Familienmitglied Zeit, sich in emotional aufgeladenen Situationen zu regulieren. Drängen Sie sie nicht zu emotionalen Bekundungen, die ihr unangenehm sind.
    • Offene Kommunikation: Sprechen Sie offen über Ihre Gefühle und Bedürfnisse und hören Sie aktiv zu, wenn Ihre Partnerin oder Ihr Familienmitglied über ihre Erlebnisse und Herausforderungen spricht.

Indem neurodivergente Frauen und ihr Umfeld lernen, die jeweils andere Art der Wahrnehmung und des Ausdrucks zu verstehen und zu respektieren, können sie gemeinsam an einem harmonischen und erfüllten Miteinander arbeiten.